Grundsatzdiskussionen

Die Thematik, die die Nation seit September 2015 mal mehr, mal weniger spaltet, manifestiert sich nun in einer Grundsatzdiskussion der Union — nicht nur im Bündnis der christlichen Schwesterparteien in Deutschland, sondern auch der europäischen. Es geht darum, ob eine Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze, sollten sie im Ankunftsland bereits registriert worden sein, legitim ist. Während sich die CDU hier für eine europäische Lösung ausspricht, plädiert die CSU für eine nationale.

Viel Zeit zum Diskutieren gibt es allerdings nicht. Die Schiffe „Acquarius“ und kürzlich „Lifeline“, die nach scheinbar endloser Entscheidungsfindung in den Häfen von Valencia und Malta angelegt haben, zeigen die Dringlichkeit des Problems. Sie sind für viele zum Symbol gescheiterter Flüchtlingspolitik geworden. Nicht nur deswegen erfordern Situationen wie diese schnellere, bessere und vor allem geregeltere Entscheidungen, was die zukünftige Vorgehensweise mit Ankömmlingen betrifft. Und auch innerhalb Deutschlands wird die Zeit für Lösungen knapp: So setzt die anstehende Wahl in Bayern kommenden Oktober zusätzlich unter Druck. 

Denkbar wäre auch eine bundesweite CSU und das Ende der Union; doch laut neuester Umfragen haben Bundesinnenminister Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Söder deutlich an Zustimmung verloren. Deutsche bevorzugen in der aktuellen Debatte demnach die Variante, in der auf europäische Werte und Solidargemeinschaft gebaut wird. Nur — besonders gute Erfahrungen haben wir in den vergangenen Jahren mit einer solchen Gemeinschaft nicht gemacht. Ganz im Gegenteil: Neben laut gewordenen Stimmen nach „mehr Europa“ haben sich in vielen Staaten nationalistische Strömungen etabliert und sind in die Parlamente eingezogen. 

Und so geht es nicht mehr nur um das Verhältnis zwischen CDU und CSU, es geht auch um den Umgang mit der AfD und ihren Wählern. Ignorieren kann man sie schon lange nicht mehr, doch sich auf darauf einlassen, was sie sich für Deutschland wünschen, sollte man sich auch nicht in jedem Fall — trotz des Umstands, dass eine Volkspartei unter anderem von der Debattenkultur lebt. Wenn es heißt, dass die CDU unter Merkel nach links gerückt ist, bedeutet das eigentlich zunächst, das Verständnis des konservativen Begriffs zu schärfen. Und mit der Frage sind auch wir bei der Grundsatzdiskussion angelangt: Denn bevor man sich auf einen Kurswechsel einigt, muss man wissen, wohin die Reise geht.