Der Kommunismus war seit dem 19. Jahrhundert das historische Schreckgespenst des Westens. Konservative und Liberale wurden nicht müde vor dem „roten Schreckgespenst“ zu warnen, welches häufig ganze Wahlkämpfe bestimmte. Doch das alte Narrativ des Kommunismus wurde über die Jahrhunderte abgekämpft. Die alte Linke taucht in Europa häufig nur noch als Splitterpartei auf. Sie wird verdrängt durch eine neue Linke, die sich bürgerlich gibt, aber genauso gefährlich ist. Wer dem traumatischen Zusammenbruch einer linken Partei beiwohnen möchte, die ihre links-sozialistische Ideologie nicht ablegen konnte, der werfe einen Blick auf Die Linke in Deutschland.
Es ist der 20. April 2022 an dem Susanne Hennig-Wellsow von ihrem Amt als Parteivorsitzende von Die Linke zurücktritt. Sie tut ihrer Partei damit einen Gefallen. Hennig-Wellsow hatte vor allem durch peinliche Unwissenheit und abstruse Äußerungen in Talkshows auf sich aufmerksam gemacht. Auch mit eigenen Themen konnte sie nicht glänzen. In der Sendung „Markus Lanz“ wurde sie nach ihren Vorstellungen einer gerechten Steuerpolitik befragt. Hennig-Wellsow legte ihre Unwissenheit schonungslos selbst offen. Immer wieder viel das Unwort „Enteignung“. Dieser Auftritt war symbolisch für den Zustand der alten Linken. In Hennig-Wellsow legte die Partei die Hoffnung der Erneuerung. Doch stattdessen blieben alte ideologische Muster, von denen sich Die Linke schlicht nicht lösen kann und will.
Die Partei Die Linke hat sich ideologisch so verrannt, dass sie bereits seit einigen Jahren aus der Zeit gefallen scheint. Der SED-Ableger (der SED Nachfolger PDS wurde 2007 zu Die Linke) wirkt ähnlich spießig und altbacken wie die Genossen der Stasi. Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag Dietmar Bartsch verkörpert diese Anschuldigung wie kaum ein anderer. Doch es findet kein programmatisches Umdenken statt. Bis heute ist Die Linke stolz auf ihre Vergangenheit zum SED-Regime und weigert sich vehement die DDR als Unrechtsstaat oder gar Diktatur einzustufen. Einige ehemalige SED-Funktionäre wie Gregor Gysi haben in der Linken sogar noch Karriere gemacht. Ihre DDR-Vergangenheit beschert der Partei auch eine besondere Beziehung zu Russland. Bis heute hört man kaum kritische Stimmen zu Putins Angriffskrieg. Lieber wird davon gesprochen, dass der Westen – insbesondere die NATO – Russland zu diesem Krieg provoziert hätten. Damit macht sich Die Linke zu Putins Vorkämpfer in Deutschland. Brav lehnt sie weiter die NATO ab und schwört auf das russische Gas. An dieser Einstellung hat auch Hennig-Wellsow nichts geändert.
Hinzu kommt, dass Galionsfiguren wie Anja Kipping und kritische Geister wie Sarah Wagenknecht in der Partei keinen Platz mehr haben. Zugegeben: auch diese beiden gehören zur alten Schule. Doch vor allem Wagenknecht sorgt mit ihren Aussagen für interne Debatten, die der Linken guttun. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ wettert Wagenknecht gegen die „Mainstream-Linke“, die mittlerweile auch einen großen Teil ihrer Partei ausmache. Auch wenn Wagenknecht in ihrer Partei mittlerweile zu einer persona non grata geworden ist, ist sie mit Hennig-Wellsow, Bartsch und Gysi dennoch in einem Punkt gemeinsamer Meinung: Alle können mit der „Mainstream-Linken“, dieser neuen Linken, nichts anfangen. Statt sich zu reformieren ist Die Linke ihrer Ideologie treu geblieben und am Ende nur durch Glück überhaupt noch in den Bundestag eingezogen.
Diese neue Linke, die das sozialistisch sein mehr als Lebensstil statt als Lebensaufgabe begreift, fühlte sich die letzten Jahre vor allem von Bündnis 90 / Den Grünen angezogen. Ungezwungen sein, starren Parteistrukturen entfliehen, eine vermeintlich antifaschistische sowie klimaneutrale Welt vorantreiben und dabei auch noch „bürgerlich“ sein. Das hat natürlich seinen Reiz. Denn viele Menschen, die sich als „eher links“ begreifen, beziehen hohe Einkommen und Bildungsabschlüsse. Sie sind damit durchaus bürgerlich. Das belegen mehrfache Umfragen.
Eine Person in der Linken kann diesen vermeintlichen „Mainstream“ jedoch kanalisieren. Es ist die Co-Vorsitzende Janine Wissler. Doch auch sie bleibt hinter den hohen Erwartungen. Innerparteiliche Reform fand unter ihr nicht statt, was vielleicht auch an der Zusammenarbeit mit Hennig-Wellsow und Bartsch lag. Dann ist da auch noch der Fakt, dass Wissler alles andere als eine weiße Weste hat. So ist Wissler in den medial eher schwach aufgegriffenen Skandal um vermehrt aufkommende innerparteiliche Missbrauchsvorwürfe verwickelt. Denn ihrem ehemaligen Lebensgefährten Adrian Gabriel können mittlerweile durch einen SPIEGEL-Bericht dutzende sexuelle Übergriffe nachgewiesen werden, unter anderem auch auf Minderjährige. Interne Chats belegen, dass Gabriel sich dafür auch noch feiern ließ. Leider ist er somit nicht der Einzige, der sich an Genossinnen und Genossen vergriffen, sie bedrängt, oder genötigt hat. Immer mehr Opfer haben sich nun unter dem Hashtag #LinkeMeToo zu Wort gemeldet. Wissler deckt bis heute die Taten ihres ehemaligen Lebensgefährten. Innerhalb der Partei wurden keine Konsequenzen gezogen. Gabriel arbeitet noch immer als Mitarbeiter der hessischen Landtagsfraktion. Auch die Jugendorganisation „solid“ fügt sich in dieses Muster. Häufiger treten nun auch hier Fälle von sexuellen Übergriffen zu Tage. Gleichzeitig irritiert die eigen Parteijugend durch ihren offenen Antisemitismus. So hat die Links-Jugend Berlin erst kürzlich mehrere Papiere verabschiedet, die offen antisemitisch sind. Vereinzelt wird das Existenzrecht Israels abgelehnt.
Zusammengenommen lässt dieser Zustand die Frage aufkommen: ist das die neue feministische, antifaschistische und sozialistische „Mainstream-Linke“? Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die ehemalige Parteivorsitzende nur auf ideologischen Irrwegen wandelte, während die verbliebene sexuelle Übergriffe verschleiert, könnte man meinen, die Falsche sei zurückgetreten. Die alte Linke passt schlichtweg nicht mehr in die Zeit. Die neue Linke hat ein gewaltiges Problem mit der Glaubwürdigkeit. Da hilft es auch nicht sich im bürgerlichen Gewand von SPD oder Grünen zu verstecken. In Summe sieht es nicht gut aus für die linke Politik.
Autor: Luca Heinemann, Kreisvorsitzender der Jungen Union Göttingen