Besuch von Dr. Kamal Sido (Gesellschaft für bedrohte Völker)

Wenn doch dereinst uns geneigt uns wär‘ das Glück,

Und einmal wir nur würden aus dem Schlaf erwachen!

Erhöb‘ auch uns sich ein Beschützer in der Welt,

wenn doch einmal ein König auch für uns erschiene!

Dann würd‘ sich allen zeigen uns‘rer Künste Schwert,

und uns‘rer Feder Wert würd‘ aller Welt sich kundtun.[1]

 

Das schrieb der kurdische Gelehrte Ehmedê Xanî schon 1694 über den Zustand seines Volkes – und trotzdem gelten diese Zeilen heute noch.

Nach der Spaltung in zwei Teile, einen osmanischen und einen safawidischen vor 300 Jahren und und vor allem nach der Aufteilung kurdischer Gebiete auf die Türkei, Syrien, den Irak und den Iran nach dem ersten Weltkrieg ist die Lage des indogermanischen Volkes prekär. Noch immer werden Kurden massiv unterdrückt, verfolgt und getötet.

Die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV) ist eine internationale Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in Göttingen, die sich für die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten einsetzt. Sie vertritt sie vor der Politik und in Verbänden, veranstaltet Demonstrationen und verschafft den Problemen und Namen der für das Elend verantwortlichen Politiker Öffentlichkeit.

Dr. Kamal Sido, Historiker und Nah-Ost-Referent der „Gesellschaft für bedrohte Völker“, erzählt von niedergeschlagenen Autonomiebestrebungen und Giftgasangriffen: Mit unterschiedlichen Mitteln wird immer wieder versucht, den Kurden ihre Existenzgrundlage zu entziehen.

Die Situation ist kompliziert, zu viele unterschiedliche Interessen spielen eine Rolle in der „Kurdenfrage“. In den vier Staaten, die sich selbst am Rande des Status‘ eines ‘failed states‘ bewegen, stellt die Ethnie aus unterschiedlichen Gründen eine Bedrohung dar – obwohl es auch innerhalb dieser keine Einheitlichkeit gibt. Ob die Errungenschaft durch das positive Referendum für die Unabhängigkeit irakischer Kurden von September 2017 zur politischen Stabilität beiträgt, ist fraglich.

Was aber sicher ist: Es braucht ein Weniger an Korruption und ein Mehr an Demokratie, Freiheit für alle Ethnien und Religionsgemeinschaften, die Stärkung der Frauenrechte, mehr Polizei und das Ende für den „Islamischen Staat“. Das ist das, was Kamal Sido fordert.

Vielleicht erfüllt sich Xanîs Traum vom Beschützer ja jetzt: Der Anfang ist gemacht.

 

/la (AT 19.10.2017)

[1]Xanî, Ehmedê: Klassisches kurdisches Epos (1694). Institut für kurdische Studien, ISBN: 978-3-932574-16-0, Verse 195ff, Übersetzung nach Feryad Omar, „Mem u Zin“. Aus: Progrom: Gesellschaft für bedrohte Völker, Ausgabe Juni 2015, S. 4.