Aufgrund der vermehrten Reaktionen auf unsere Pressemitteilung zu dem Konzept „Sichere Häfen“ möchte der Stadtverband der Jungen Union Göttingen diesbezüglich Stellung beziehen.
Zunächst sollte gesagt sein, dass sich die Junge Union in ihrem Schreiben in keiner Weise gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hat. Viele Reaktionen erweckten diesen Anschein. Göttingen hat Kapazitäten für die Aufnahme von Geflüchteten und diese kann und sollte man nutzen. Die Kritik bezog sich auf das Konzept „Sichere Häfen“, welches wir in seiner Außenwirkung beanstanden und bemängeln, da es nicht versucht, sich auch der Fluchtursachen anzunehmen. Zudem zeigt die Initiative kein neues Phänomen auf. Die Aufnahme von Geflüchteten ist nichts Neues und hat daher wenig mit einem neuen praktischen Instrument zu tun.
Die Junge Union setzt sich für das Wohl derer ein, die in ihrer Heimat unter Krieg, Verfolgung und Unterdrückung leiden. Eine Überfahrt über das Mittelmeer schafft für das Wohl dieser Menschen zusätzliche Gefahren. Das Konzept „Sichere Häfen“ sorgt dabei nicht für eine Verbesserung. Im Gegenteil, denn die Junge Union befürchtet, dass dieses Konzept in ungewollter Weise Schlepperbanden motiviert. Schlepper, die aus dem Leben und Leiden von Menschen ein verachtenswertes Geschäft machen. Jedoch würden genau solche Kriminelle durch die Initiative „Sichere Häfen“ profitieren, da für die Flüchtlinge ein immer größerer Anreiz bestünde, sich in ihre Boote zu begeben. Diesen Menschen wird die Hoffnung gegeben, durch solch eine Überfahrt ein besseres Leben führen zu können. Viele von ihnen riskieren für diese Hoffnung ihr Leben. Wer kann garantieren, dass all diese Menschen wohlbehalten in Europa ankommen? Schlepper und Nichtregierungsorganisationen können das nicht sein. Seenotrettung muss staatliche Priorität werden, an der sich alle EU-Mitgliedsstaaten beteiligen sollten. Zugleich ist dies der einzig effektive Weg um prüfen zu können, wer nach Europa kommt. Denn leider besteht nach wie vor die Möglichkeit für ausländische Kriminelle und Migranten ohne berechtigten Asylgrund, verdeckt über die eigentlich leidtragenden Geflüchteten nach Europa zu gelangen. Man bedenke in diesem Fall vor allem die „IS-Rückläufer“.
Zum staatlichen Vorrang muss daher auch die effiziente Bekämpfung von Fluchtursachen werden. Dies ist derzeit nicht der Fall. Verstärktes staatliches Handeln würde zudem eine Debatte um Illegalität und Straftaten, wie jene um Carola Rackete, gar nicht erst aufkommen lassen. Deshalb appelliert die JU an zügige Reaktionen der EU-Mitgliedsstaaten und die Europäischen Union selber.
Dass eine Bekämpfung der Fluchtursachen und die Schaffung von Frieden langfristige sowie andauernde Prozesse sind, die nicht binnen kürzester Zeit vollendet werden können, ist selbsterklärend. Natürlich ist der Jungen Union auch der Bürgerkrieg in Libyen mit seinen furchtbaren Folgen, der noch dazu vom zweifelhaften Engagement ausländischer Staaten befeuert wird, bewusst. Wie so häufig sind auch hier Zivilisten die größten Leidtragenden. Diese Situation gilt es so schnell wie möglich zu verbessern.
Dafür bedarf es jedoch keiner kurzfristigen Reaktion, die nur die Auswirkungen der Lage vor Ort lindert, sondern vielmehr einer nachhaltigen Lösung, die die eigentlichen Ursachen bekämpft. Oberstes Ziel muss dabei sein, dass sich Flüchtlinge und Migranten erst gar nicht mehr auf den gefährlichen Weg durch Afrika und Asien aufmachen müssen. In einem ersten konkreten Schritt bedarf es eines massiv erhöhten diplomatischen Drucks von Seiten der Europäischen Union auf die Ansprechpartner in Libyen mit dem Zweck, die Lebensumstände in den Lagern vor Ort zu verbessern. Dies kann dadurch geschehen, dass man die Lager unter die Aufsicht des UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration stellt, um eine menschenwürdige Behandlung und entsprechende Unterkünfte zu gewährleisten. Solange in Libyen noch Bürgerkrieg herrscht, müssen diese Lager zum Schutz der Bewohner militärisch gesichert werden. Hier steht in erster Linie Europa, einschließlich Deutschlands, in der Pflicht, um für angemessene Sicherheit zu sorgen. Damit die gefährliche Weiterreise über das Mittelmeer verhindert und den Schleppern die Geschäftsgrundlage entzogen wird, muss direkt in den Lagern geprüft werden, ob ein berechtigter Asylgrund vorliegt oder eine Rückführung in das jeweilige Ursprungsland veranlasst werden muss.
Zeitgleich dürfen die Bemühungen um einen Frieden in ganz Libyen nicht nachlassen. Der Junge Union Stadtverband Göttingen möchte sich nicht anmaßen, hierfür den Schlüssel zu besitzen. Wir können nur die europäischen Länder dazu auffordern, eine einheitliche Position zu finden, kein doppeltes Spiel zu treiben und den UN-Sondergesandten Ghassan Salamé in seiner Arbeit weiterhin zu unterstützen. Auch nach einem möglichen Friedensschluss sollte die Europäische Union in Libyen präsent bleiben und die dortigen Sicherheitskräfte mit rechtsstaatlichen Standards vertraut machen und mit modernem Material ausstatten.
Diese Maßnahmen müssen eingebettet werden in eine umfassendere, gesamteuropäische Strategie, in deren Rahmen Transitländer wie Libyen, Mali und Niger entlastet werden. Dafür bedarf es legaler Zuwanderungswege nach Europa durch die Schaffung von Fachkräftezuwanderungsgesetzen, Aufklärungsarbeit in den Ursprungsländern und die Einführung der Möglichkeit, Asyl in Vertretungen europäischer Länder oder der Europäischen Union selbst zu stellen. Der von Entwicklungsminister Müller initiierte „Marshallplan“ für Afrika muss konsequent umgesetzt und ausgebaut werden.
Leider können wir uns unsere weltweiten Partner nicht aussuchen, sondern müssen mit denen Vorliebnehmen, die international vorhanden sind. Dies betrifft auch Regierungen, die nicht unseren westlichen Standards von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entsprechen. Wirtschaftliche und politische Kooperation mit diesen bedeutet per se keine Fluchtursache. Im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik sind Rüstungsexporte auch immer eine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Herrschenden in der Region. Bei einem generellen Exportstopp würde man sich daher eines wichtigen Instruments selbst berauben. Bei den aktuellen Konflikten, wie etwa in Libyen oder Syrien, die zahlreiche Flüchtlingsströme auslösten, spielen deutsche Waffen jedoch nur eine marginale Rolle. Hier sind in erster Linie Rüstungsgüter aus Russland, China, Frankreich und Belgien zu nennen. Um diesem Umstand besser Herr zu werden, tritt der Junge Union Stadtverband Göttingen für einheitliche europäische Rüstungsexportregeln auf der Basis des gemeinsamen Standpunktes der Europäischen Union von 2008 ein.
Der Jungen Union geht es in unumschränkter Weise darum, das Leben von Menschen zu retten. Jedoch kann es eben nicht die alleinige Lösung sein, dass sich Menschen auf dem Mittelmeer in Lebensgefahr begeben müssen. Die Aufgabe, einen Beitrag zur aktiven Seenotrettung zu leisten, muss in erster Linie bei den Staaten liegen. Dahingehend muss der Druck massiv erhöht werden. Ebenso muss sich der dringlichen Lage in Ländern wie beispielsweise Libyen angenommen werden. Die Situation und ein mögliches Vorgehen diesbezüglich haben wir geschildert. Solange die Situation in Libyen nicht deeskaliert ist, muss man sich selbstverständlich der Menschen annehmen, deren Leben auf dem Spiel steht. Dafür können die beschriebenen Wege geschaffen werden, durch welche Geflüchtete legal und vor allem sicher nach Europa gelangen können. Eine Initiative „Sichere Häfen“ setzt dahingehend die falschen Signale. Mittelfristig mag sie die Probleme von Einzelschicksalen lösen, sie lässt aber gleichzeitig die Ursachen der Flucht und somit das Leben von weiteren Menschen völlig außen vor. Das Hinnehmen der Route über das Mittelmeer, und die Gefahr das Leben dabei zu verlieren, kann daher nicht die Lösung sein. Die Junge Union Göttingen lehnt daher das Konzept „Sichere Häfen“ in seiner derzeitigen Form ab.